(Auswahl)

(Mitwirkung als Klarinettist=KL; Mitwirkung als Sprecher=SP; Mitwirkung als Organisator=OR; BS=Basssänger)

KL 25.9.1974: Teilnahme als Klarinettist an einem Konzert im Gemeindesaal der Pauluskirche in Krefeld

KL 9.12.1976: 1. Preis im Fach Klarinette im Internen Wettbewerb der Musikschule der Stadt Krefeld 1976 (die Rheinische Post berichtet am 16.2.1977)

KL 11.2.1977: 1. Preis im Regionalwettbewerb Jugend musiziert 1976 in der Wertung für Klarinette in der Altersgruppe III (14-16 Jahre). Die Rheinische Post berichtet am 16.2.1977.

KL + SP 1.6.1978: Abiturfeier der 100. Abiturientia des Arndt-Gymnasiums in der Gesellschaft Verein; Uraufführung eines Klavierkonzerts im spätromantischen Stil von Otmar Stangl (mein Konabiturient), wobei der Komponist sowohl als Solist wie als Dirigent in Erscheinung tritt. Da unser Musiklehrer und Leiter des Schulorchesters Dr. Dieter Schulte-Bunert Otmars Notenhandschrift nicht lesen kann, schreibe ich mit zwei Mitschülern alle Orchesterstimmen aus der Partitur ab. Unsere Proben finden in Eigenregie statt. Mehrere lobende Artikel in Lokalzeitungen. Unter der Überschrift “Traditionen aufgefrischt: Höhepunkt der Abiturfeier: Stangls Klavierkonzert” schrieb z.B. jemand unter dem Akronym ‘cks’: “Eine alte Schultradition, die in den letzten Jahren am Arndt-Gymnasium eingeschlafen war, frischte man dieses Jahr wieder auf: die 100. Abiturientia schloß ihre Schullaufbahn mit einer stilvollen Feierstunde gemeinsam mit Eltern, Freunden und Lehrern ab. Aufgrund der mangelnden Räumlichkeiten des Arndt-Gymnasiums hatte Oberstudiendirektor Klaus Simons in die Gesellschaft Verein eingeladen. Verstärkt durch Schülerinnen der Marienschule und der Musikschule eröffnete das Schulorchester das Programm mit einer frisch vorgetragenen Fasch-Sinfonie. Schulleiter Simons ging anschließend in seiner Festrede besonders ein auf den Unterschied zwischen dem bis im letzten Jahr praktizierten herkömmlichen Abitur und dem jetzt ‘reformierten’. Nach einem weiteren kammermusikalischen Werk und der Dankesansprache des Schülervertreters Thomas Rütten kam der eigentliche Höhepunkt der Feierstunde: Otmar Stangl, diesjähriger Abiturient der Schule, hatte unter Anregung seines Musiklehrers Dr. Dieter Schulte-Bunert ein Klavierkonzert komponiert, mit dem Orchester einstudiert, dirigierte selbst und hatte auch noch den Solopart am Klavier übernommen. Die Uraufführung dieses romantisch-melodischen Monumentalwerks faszinierte alle Anwesenden, vielleicht weil sie spürten, daß die Schule auch heute noch die Interessen und Veranlagungen ihrer Schüler fördert und ihnen Rechnung trägt.”

KL Juni 1978: Schulkonzert des Arndt-Gymnasiums in der Pauluskirche in Krefeld; mein erstes öffentliches Solokonzert: Karl Stamitz, Konzert Nr. 3 für Klarinette und Orchester in B-Dur

KL 11.6.1978: Sonntag-Morgen-Konzert des Holzbläser-Quintetts der Musikschule der Stadt Krefeld (Christoph Becker, Horn; Thomas Rütten, Klarinette; Waltraud Schmitt, Fagott; Monika Wenz, Querflöte; Helga Schmitt, Oboe) im Kammermusiksaal des Hauses Sollbrüggen in Krefeld. Auf dem Programm stehen die Bläserquintette von Franz Danzi in B-Dur, op. 56, 1; Mozarts Divertimento Nr. 14 in B-Dur, KV 270;  Antonin Reichas Bläserquintett in Es-Dur, op. 88,2. Dita von Szadkowski berichtet am 13.6.1978 in der Westdeutschen Zeitung: “Man lernte ein Ensemble kennen …, das mit seiner Frische, kritischen Natürlichkeit als wohl bisher einzige junge Kammermusikgruppe für die Stadt [Krefeld] eine Bereicherung ist.” Roman Hinke schreibt in der Rheinischen Post: “… hohe Musikalität … Neben fast absolut perfektionierter Technik besitzen” die Musiker “die seltene Begabung, selbst technisch heikle Kompositionen mit Frische und unbekümmerter Gelöstheit vorzutragen.”

KL 29.10.1978: Großes Jubiläums- und Schulfest des Arndt-Gymnasiums im Seidenweberhaus. Abends wirke ich bei einer Festaufführung der Carmina Burana von Carl Orff mit: szenische Aufführung unter der Regie eines Lehrers vom Arndt-Gymnasium und mit dem Bühnenbild von Ulrich  Hoischen, 180 ChorsängerInnen und 40 Orchestermitglieder (verstärkt durch Eltern und Ehemalige)

KL 18.2.1979: 1. Preis für das Holzbläser-Quintett der Musikschule der Stadt Krefeld (Christoph Becker, Horn; Thomas Rütten, Klarinette; Waltraud Schmitt, Fagott; Monika Wenz, Querflöte; Helga Schmitt, Oboe) im Regionalwettbewerb Jugend musiziert 1978/79 in der Wertung für instrumentales Zusammenspiel für Holzbläser.

KL 1979-1981: Konzerttätigkeit in Krefeld (Burg Linn etc.) mit Bläserquintett (Christoph Brocks, Querflöte; Albert Dohmen, Oboe; Thomas Rütten, Klarinette; Waltraud Schmitt, Fagott; Christoph Becker, Horn) sowie mit Klavierquintett (Otmar Stangl, Klavier, Albert Dohmen, Oboe, Thomas Rütten, Klarinette, Waltraud Schmitt, Fagott, Christoph Beckers, Horn), u.a. Uraufführung eines Konzerts für diese Besetzung von Otmar Stangl.

KL Sept. 1981: Kammerkonzert in Aachen mit Kai Scheffler (Cello) und einem Pianisten (Beethoventrio für Klarinette, Cello und Klavier)

KL+SP+OR 23.10.1982-14.11.1984: Privatinitiative Musik Image orum im Klöske. Das Musikforum im Klöske war eine öffentliche Kammermusikreihe im Stile von Gesprächskonzerten, bei denen Themen die Besetzung mit KünstlerInnen bzw. die Programme vorgaben, bei denen es kein Budget gab, was bedeutete, dass MusikerInnen ohne Gage spielten, Veranstalter ehrenamtlich arbeiteten und ein Flügel, falls benötigt, vom Klavierhaus List in Viersen unentgeltlich verliehen wurde. Ziel war die Entkommerzialisierung des Kulturbetriebs und die Nutzung der Chance, die damit für die Gestaltung von Konzertprogrammen gewonnen war. Veranstaltungsort war “Et Klöske”, eine säkularisierte Kapelle in Krefeld-Uerdingen (Oberstr. 29), in der etwa 80 Personen Platz fanden. Sie befand sich damals in städtischer Trägerschaft. Insgesamt organisierte (und moderierte) ich fünf solcher Veranstaltungen, für die auch ggf. zu den jeweiligen Themen passende Bilder aus Krefelder Galerien ausgeliehen wurden. Eine Stundung der Saalmiete wollte das Krefelder Kulturamt (Helmut Kauert) nicht gewähren. Hinter der Privatinitiative standen im Wesentlichen Otmar Stangl und ich. Um den 1.12.1982 charakterisierte ein Zeitungsartikel von Anfang Dezember 1982 das Unternehmen so: “Auf den ersten Blick ein sehr buntes Musikprogramm, wie der Titel der Konzertreihe ‘Forum’, zu deutsch ‘Markt’, vermuten läßt. Da gibt es Soloabende mit Werken verschiedener Komponisten, wie am kommenden Samstag [4.12.1982], oder ‘Komponistenportraits’ mit verschiedenen Interpreten und Besetzungen, wie das Konzert am 13. Oktober, das auf Anregung einer Novelle von Mörike versucht hat, ein Gesamtbild Mozarts zu entwerfen. Neben musikalisch-literarischen Abenden werden aber auch reine Musikabende veranstaltet, an denen außer der sogenannten etablierten Musik auch in Vergessenheit geratene Kompositionen zu hören sind, wie geplant bei einem Liederabend im Januar mit Werken von Spohr, Meyerbeer, Nicolai und Pasiello. Den Rahmen für diese musikalischen Streifzüge bietet das ‘Klöske’ (Krefeld-Uerdingen, Oberstraße 28), in dessen stiller Atmosphäre sich derartige Projekte erfahrungsgemäß gut durchführen lassen. Soviel auf den ersten Blick. Schaut man nun hinter die Kulissen, so erfährt man, was dieses heterogene Programm zusammenhält. Es ist der Grundgedanke des Benefizkonzertes, der an die Stelle der den Konzertbetrieb oft bestimmenden Gesetze des kommerziellen Warenaustausches wieder Interesse, Bereitschaft und ursprüngliches Wissen setzen will. Alle Musiker spielen ohne Gage, und die Einnahmen (Eintritt sechs bzw. vier Mark) fließen in die Kassen gemeinnütziger Einrichtungen, wie zum Beispiel für amnesty international oder das Heilpädagogische Zentrum Hochbend. ‘Kunst lädt nicht nur zu ästhetischem Genuß ein, Kunst hat auch einen appellativen Charakter, der uns in die Pflicht nimmt’, sagt dazu einer der sechs Organisatoren. So sollen die Musikabende ein Zeichen setzen, denn für einen einmaligen Reingewinn von ca. 200 Mark lohnt sich der Aufwand, finanziell gesehen, nicht, zumal die Miet- und Werbekosten nicht von der Stadt übernommen werden können. Dies rechtfertigt den Namen der Veranstaltung ‘Privatinitiative Musikforum’ und gibt die Möglichkeit, ohne institutionelle Abhängigkeiten und ohne Anpassung an den vielzitierten Publikumsgeschmack, Musik wieder um der Musik willen zu machen. So darf man gespannt sein auf selten gespielte Musikstücke, auf Komponistenportraits und damit auf eine in ihrem geistesgeschichtlichen Rahmen verständlich gemachte Musik.”

KL+SP+OR 23.10.1982: 1. Musikforum im Klöske: Mozart auf der Reise nach Prag: Musikstücke von Mozart und Textlesungen aus Mörikes Novelle: Divertimento Nr. 14 KV 270 (1777) IV Presto; “Mozart und Konstanze im Wald” (Text); Sonate für Klavier A-Dur KV 331 (1778) I Andante grazioso Thema, Variationen III und IV; “Mozarts Pomeranzendiebstahl” (Text); “Des Grafen Lob” (Text); Sonate für Klavier F-Dur KV 332 (1778) I Allegro; Sonate für Flöte und Klavier C-Dur KV 14 (1764) I Allegro, II Allegro, III Menuetto; “Mozarts Jugenderinnerung” (Text); “Konstanze erzählt…” (Text); Phantasie C-moll KV 447 (1785); “Aus Mozarts neuer Oper” (Text); Adagio h-moll KV 540 (1788); Quintett Es-Dur KV 452 (1784). Ausführende: Otmar Stangl, Klavier; Monika Cremer, Querflöte; Albert Dohmen, Oboe; Thomas Rütten, Klarinette und Sprecher; Johannes Overbeck, Fagott. Die Benefizveranstaltung war für die Uerdinger Gruppe von amnesty international bestimmt. Die lokale Presse (ubr = Ute Büchter-Römer?) berichtete unter der Überschrift “Mozart persönlich engagiert musiziert: Musikforum startete im Uerdinger Klöske”: “Der erste Abend des ‘Musikforums’ im Klöske, eine Konzertreihe, die auf eine Privatinitiative zurückgeht und deren Erlös für amnesty international bestimmt ist, war […] so zusammengestellt, daß man sich an dem Inhalt der Möricke-Novelle ‘Mozart auf der Reise nach Prag’ orientierte. Das Programmheft informierte den Zuhörer über die Vertrautheit Mörikes mit Mozart ‘eine Art Seelenverwandtschaft’. So erklang der erste Satz der Sonate in F-Dur als Beispiel einer persönlichen Gestaltung der Sonatenform, als individuelle Freiheit im Rahmen der Konvention, klangschön gespielt von Otmar Stangl, die Sonate für Flöte und Klavier C-Dur KV 14 als musikalische Erinnerung des beeindruckend schönen Jugenderlebnisses in Neapel; die Phantasie c-moll KV 447, einblickgebend in persönliche Tragik durch die verschiedenen musikalischen Elemente, eine Phantasie, die die These der unbesonnenen Heiterkeit Mozarts widerlegt. Es erklangen ferner das Adagio h-moll KV 540 und das Quintett Es-Dur KV 452 für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott. Die Musiker bemühten sich um eine klangvolle, adäquate Gestaltung der Werke (das störende Pedalgeräusch kann nur dem Flügel angelastet werden), Unsicherheiten und der Mangel an dynamischer Differenzierung mögen hinter dem persönlichen Engagement zurücktreten. Vielleicht sollte man sich im Verlauf des Musikforums Gedanken über die Anordnung und Länge der ausgewählten Textbeispiele im Verhältnis zur Musik machen. Man dankte herzlich.”

OR 18.12.1982: 2. Musikforum im Klöske. Suk Huyn Cho (Klavier; Preisträgerin beim deutschen Musikrat-Wettbewerb). Wolfgang A. Mozart, Rondo a-moll KV 511; Ludwig van Beethoven, Sonate As-Dur op. 110; Frederic F. Chopin, Polonaise – Fantaisie As-Dur op. 62; Johannes Brahms, Klavierstücke op. 118. Erlös: 75,- DM für das Heilpädagogische Zentrum Hochbend. Die Lokalpresse berichtete unter der Überschrift “Vielversprechender Auftakt: ‘Privatinitiative Musikforum’ präsentierte Suk Huyn Cho”: “Als musikalisches Geschenk hätte man das Klavierkonzert der ‘Privatinitiative Musikforum’ im Uerdinger Klöske bezeichnen mögen. Die Gruppe junger Leute, die ‘Musik abseits der etablierten Krefelder Institutionen’ präsentieren wollen, hatte mit der Einladung der jungen koreanischen Pianistin Suk Huyn Cho, die – in Berlin studierend – ihr erstes Konzert in Krefeld gab, einen wirklich ‘guten Griff’ getan, so daß das Konzert zum Genuß wurde. Vier Spätwerke großer Komponisten aus Wiener Klassik und Romantik standen auf dem Programm, die in ihrer Einzigartigkeit und Unterschiedlichkeit enorme Anforderungen an das Interpretationsvermögen der Pianistin stellten. Mozart, Beethoven, Chopin und Brahms – Komponisten, deren Werke oft aus persönlichem Erleben interpretiert werden. Daß Suk Huyn Cho die den Kompositionen zugrundeliegenden differenziertesten Stimmungen – von ersterbender Melancholie bis zur wildesten Verzweiflung – brillant und treffend wiederzugeben wußte, offenbarte ihr einfühlsames Spiel. Sicherlich das hervorstechendste Werk bildete die Sonate As-Dur op. 110 von Ludwig van Beethoven. Die Darstellung dieses Werks, das interpretatorisch und musikalisch höchst anspruchsvoll ist, zeigte, wie virtuos Suk Huyn Cho ihr Metier bereits beherrscht.”

KL+SP+OR 5.2.1983: 3. Musikforum im Klöske mit Otmar Stangl (Klavier), Ute Büchter-Römer (Sopran) und mir (Klarinette). Auf dem Programm standen Franz Schubert, Der Hirt auf dem Felsen nach dem Gedicht “Der Berghirt” von W. Müller op. 129 (1828) sowie Louis Spohr, Sechs deutsche Lieder (1838), J. W. Franck, Vergänglichkeit (1681), A. Krieger, Abendlied (1667) und H. Albert, Herbstlied (1641). Die Westdeutsche Zeitung (D. von Szadkowski) berichtete unter der Überschrift: “Zur Musik der Romantik gute Drucke an der Wand: Drittes Forum im ‘Klöske’ fand starken Anklang”: “Zum drittenmal veranstaltete eine Gruppe von sechs ambitionierten jungen Leuten ihr ‘Musikforum’ im Uerdinger ‘Klöske’. Thema des recht gut besuchten Abends waren Lieder des Barock und der Romantik, sinnvoll durch Kommentare in Zusammenhang gestellt zur Spiegelung epochalen Empfindens in der künstlerischen Naturschilderung von Musik und Malerei. Dazu hatte man den Saal sogar mit guten großformatigen Caspar-David-Friedrich-Drucken ausgestattet. Sechs deutsche Lieder von L. Spohr (1838), Lieder von J. W. Franck, A. Krieger und H. Albert (alle 17. Jahrhundert) und Schuberts ‘Der Hirt auf dem Felsen’ wurden von Ute Büchter-Römer (Sopran), Otmar Stangl (Klavier) und Th. Rütten (Klarinette und Kommentare) in erfreulich verständnisvoller Weise geboten. Wobei man wieder einmal feststellen konnte, wieviel musikalischer und lebhafter ein solches mehr von Phantasie und Engagement als von Professionalität beflügeltes Unternehmen sein kann oder als manches im etablierten Konzertbetrieb. Ute Römer-Büchter sang einen sehr auf musikalische Substanz und Intensität gerichteten Sopran. Sie entwickelte ein unaffektiert eindringliches, warmes und helles Timbre, dessen Ausdrücklichkeit sie auch bei den schwierigen Intervalldistanzen Schuberts aufrechthielt. Stangl begleitete einfühlsam und gut. Rütten gab mit seiner Klarinette (bei Spohr und Schubert) sowohl die gehörigen klangfarblichen Begleitzutaten als auch kräftige Eigenständigkeit beim Dialog, bei der romantischen Textausmalung. So wurde das Konzert in seiner gutdurchdachten Konzeption sehr beifällig aufgenommen.” Ein Spendenaufruf für das Kinderheim Kastanienhof erbrachte 150,- DM.

SP+OR 14.5.1983: 4. Musikforum im Klöske mit Dorothee Broichhausen (Klavier). Johannes Brahms, Sonate f-moll op. 5; Claude Debussy, L’isle joyeuse; Maurice Ravel, Valses nobles et sentimentales; Sergej Prokofieff, 3. Sonate a-moll op. 28. Den Bösendorfer Flügel stellte das Pianohaus List (Viersen) zur Verfügung, die Exponate die Galerie Steinbach. Der Erlös von 150,- DM war für den Multiple Sklerose-Stützpunkt Krefeld bestimmt. Eine Zeitungskritik ist nicht erhalten. D. Broichhausen studierte damals an der Musikhochschule Köln (Standort Aachen) bei Prof. Ulla Graf sowie in der Meisterklasse von Homero Francesch an der Hochschule der Künste in Zürich. Seit 1980 war sie selbst bereits als Dozentin an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln tätig, leitete dort eine eigene Klavierklasse und unterrichtete Methodik und Didaktik.

OR 14.11.1984: 5. Musikforum im Klöske: Matthias Neumann, Violine (Klasse Prof. Brandis, Berlin) und Peter Schmitz, Klavier (Klasse Prof. Deichmann, Essen). Serge Prokofjew, Fünf Melodien op. 35; Johannes Brahms, Sonate für Violine und Klavier G-Dur op. 78; Wolfgang Amadeus Mozart, Sonate für Klavier und Violine e-moll KV 304; Edvard Grieg, Sonate für Violine und Klavier c-moll op. 45. Den Bösendorfer-Flügel stellte dankenswerterweise das Pianohaus List (Viersen) zur Verfügung. 190,- DM wurden für den Deutschen Kinderschutzbund e. V., Ortsverein Krefeld, gespendet. Eine Pressenotiz hat sich nicht erhalten. Der Leiter des Kulturamtes der Stadt Krefeld beharrte auf der Entrichtung eines Nutzungsentgeltes für die Anmietung des Klöske und drohte sogar mit einer Verdoppelung desselben, zog das Angebot, unsere etwa 800 Einladungen über den Verteiler des Kulturamts zu versenden, zurück und strich dem Collegium Musicum den Erlass von Saalmiete für dessen Proben und Konzerte im Haus Greiffenhorst mit der Begründung, wir hätten gegen diese Bevorzugung protestiert. Mit diesen finanziellen Daumenschrauben und der Ausspielung Kulturschaffender gegeneinander als Ergebnis städtischer Kulturpolitik mussten wir unsere Initiative einstellen. Am 20.10.84 schrieb ich dem Leiter des Collegium Musicum noch einen um Schadenbegrenzung bemühten Brief.

KL+OR 25.8.1985: Planung, Organisation und Mitgestaltung eines Konzerts im Rahmen der von Rotaract Deutschland durchgeführten “Polenaktion ’85” in der Aula der Krefelder Ricarda-Huch-Schule, mit Rüdiger Bohn als Dirigent, Annorte Kaesche als Cembalistin, Sabine Kirschner als Querflötistin und Pascal Théry als Violinist (Bach, 5. Brandenburgisches Konzert in D-Dur, BWV 1050), Jörg Schubert und Andrea Henkelhausen als SologeigerInnen (Bach, Doppelkonzert BWV 1043 für zwei Violinen und Kammerorchester), Laszlo Dömötör und mir als Soloklarinettisten (Telemann, Konzert d-moll für 2 Klarinetten [Chalumeaux] und Kammerorchester), den StreicherInnen des Jungen Kammerorchesters Axel Ruhland, Ruth Stammberger, Barbara Buchberger, Norbert Tilgner, Angela Kockers (Violine), Ralph Schürmanns, Angelika Auer, Ekkehard Querner (Viola) sowie die nicht zum Jungen Kammerorchester gehörenden Thomas und Maria Hamela (Violine), Katharina Hager, Wiebke Schroers (Violoncello) und Christian Schuldt (Kontrabass). Die Westdeutsche Zeitung berichtete am 27.8. unter der Überschrift “Junge Musiker spielten für Polen: Ricarda-Huch-Schule: Dynamik mit einer schwebenden Schwerelosigkeit”: “Jugendlich frisch und akzentuiert war das Spiel der jungen Musiker beim Konzert in der Ricarda-Huch-Schule. Die Veranstalter Rotary-Club, Schüler-Mitverwaltung und Privatinitiative Musikforum, leisteten damit einen Beitrag zur Polenaktion der Clubs. Das Ziel: Medikamentenverteilung in verschiedenen polnischen Städten. Also stellten sich auch die Künstler in den Dienst der guten Sache. Mitglieder des jungen Kammerorchesters (Leitung Rüdiger Bohn) und die Solisten Annorte Kaesche (Cembalo), Andrea Henkelhausen, Pascal Thery, Jörg Schubert (Violine), Sabine Kirschner (Querflöte), Laszlo Dömötör und Thomas Rütten (Klarinette) spielten. Auf dem Programm stand zu Beginn das Konzert für zwei Klarinetten und Orchester von Telemann, eine für das Barock ungewöhnliche Klangkomposition, tonschön musiziert von den Solisten und zurückhaltend begleitet. Im 5. Brandenburgischen Konzert D-Dur von Bach, solistisch engagiert gespielt und bei aller Leichtigkeit in der Tongebung gekonnt gestaltet, bestach vor allem der virtuose Cembalopart. Zuletzt erklang Bachs Doppelkonzert für zwei Violinen und Orchester d-moll. Zwar nicht ohne kleine Unstimmigkeiten doch tonschön, verhalten in der Dynamik mit einer schwebenden Schwerelosigkeit dargeboten. Beifall belohnte Können und Engagement der Künstler.” Holger Ehrich sorgte mit einem originellen Plakatentwurf für effektive Werbung, Bärbel Heidemann und Jochen Diezel besorgten dessen Vervielfältigung, Kristiane Busch, Bettina Crux und Christian Wulff verteilten die Plakate, Kristiane Busch, Bettina Crux, Peter Krotz und Marcus Andreas Stockschläder verfassten schriftliche Einladungen, die über Dr. Dieter Schulte-Bunert bzw. Eberhard Crux alle Krefelder Rotarier und über Geschäfts- und Privatleute annähernd 600 übrige Interessenten erreichten. Manfred Tilosen besorgte ein Geschenk für den Hausmeister der Ricarda-Huch-Schule. Kristiane Busch, Bettina Crux, Peter Köster, Jörg Thorissen und Sonja Zorembik sorgten bei den Proben und der Aufführung für einen reibungslosen organisatorischen Ablauf. Die Schülervertretung des Ricarda-Huch-Gymnasiums half, die Aula der Schule unentgeltlich für Proben und Aufführung nutzen zu können. Die Firma List stellte ein Solo-Cembalo, Christiane thoPesch, geb. Jacobs ein zweites Cembalo für Continuo-Stellen zur Verfügung. Beide Instrumente wurden von Edy Willems gestimmt. Der Erlös des Konzerts betrug 1650,- DM. Die Krefelder ÄrztInnen spendeten 120 kg Medikamente, die die Rotaract-Mitglieder Kristiane Busch, Bettina Crux, Sonja Zorembik, Peter Krotz, Marcus Andreas Stockschläder und Jan Zwankhuizen sammelten und auf den Weg in die Kieler Sammelstelle brachten, von wo sie mit Sachspenden aus dem gesamten Bundesgebiet nach Mazuren, Oppeln und Stettin geschickt wurden.

KL 1983-1985: Ich spiele im Studentenorchester der Medizinischen Fakultät der Friedrch Wilhelms-Universität in Bonn, z.B. Sibelius, Valse triste sowie Mozarts Oboenkonzert mit Dorothee Todtenhaupt als Solistin.

OR 8.3.1997: Ich vermittele folgendes Konzert für die Mitglieder der Gesellschaft der Freunde der Herzog August Bibliothek in der Augusteerhalle der Biblioteca Augusta: Streichtrios von Luigi Boccherini und Alfred Schnittke; Klavierquartett Nr. 3 c-moll, op. 60 von Johannes Brahms. Ulrike Nahmacher (Violine), Matthias Neumann (Viola), István-Alexander Gaal (Violoncello), Xaver Poncette (Klavier).

SP+OR 25.9.1998: Instrumentierungen des hippokratischen Eides: Vortrag und Gesprächskonzert in der Augusteerhalle der Herzog August Bibliothek (Jahrestreffen der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik e.V. ‘Antikenrezeption im Mittelalter und in der Neuzeit’, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel). Auf dem Programm steht: Mauricio Kagel, Der Eid des Hippokrates für Klavier zu drei Händen, 1984. Das drei Minuten lange Stück wird mehrmals von zwei PianistInnen von der Musikhochschule Hannover gespielt. Die Augusteerhalle der Herzog August Bibliothek, in der das Gesprächskonzert stattfindet, bildet mit einer Kabinettausstellung zum Thema ‘Der Eid des Hippokrates in der Frühen Neuzeit’, die ich kuratiert und mit Hilfe des Restaurators Heinrich Grau, meines Kollegen an der HAB, in Ausstellungsvitrinen präsentiert habe, den idealen Rahmen. Ich verbinde die Musik mit diesem Umfeld durch folgende Erläuterungen: “Vom sogenannten Eid des Hippokrates liegen uns keine authentischen oder gar von einem Verfasser autorisierten Textfassungen vor, keine durch raumzeitliche Koordinaten fixierbaren ‘Originale’, sondern lediglich unterschiedliche Versionen, Textauszüge, Redaktionen, die eher die jeweiligen antiken Rezeptionsereignisse und die Denkungsart der Eidrezipienten widerspiegeln als die tatsächliche Entstehungszeit des Textes und die Intention eines Autors. Es läßt sich mit Blick auf den Titel dieser Veranstaltung sagen: Die Eidmelodie existiert immer nur in Abhängigkeit von den Instrumenten, die sie intonieren, und deren Klangfarben, also von Aufführungspraxis und Interpretation. Die ‘Vertonung’ des Eides durch Mauricio Kagel zeigt, daß eine solche Formulierung nicht nur metaphorischen Sinn macht.

Sie entstand im Auftrag des Deutschen Ärzteblattes und gelangte am 13. Mai 1984 beim Festival ‘pro musica nova’ in Bremen zur Uraufführung. Es handelt sich um ein 30taktiges Stück für Klavier zu 3 Händen. Es besteht im wesentlichen aus drei Strukturelementen: zunächst einem auf dem Klaviercorpus zu klopfenden Rhythmus, der vor allem im ersten System der Partitur dominiert, zum zweiten aus einem dissonanten Klang in Hand II, der sich zögernd und mühsam in Halbtönen aufwärtsschiebt, und zum dritten aus einer um den Ton ‘d’ zentrierten Ein- bzw. Zweistimmigkeit, die in Hand III zu erkennen ist. Hinzu kommt ein Element aus dem für Kagel bezeichnenden Bereich des sogenannten Instrumentalen Theaters, wenn etwa die Partitur die drei Pianisten auffordert, am Ende des Stückes ‘den Blick stets auf die Noten gerichtet’, ‘dicht über der Tastatur ihre Hände aufeinander mit dem Hand-teller nach unten’ zu legen und lange innezuhalten, eine Anweisung, deren Bedeutung sich in Schreibstil und Orthographie offenbart.

Das Stück gliedert sich in zwei Teile, deren Spielanweisungen Grave und Andante lauten. Ein Schlüssel zum Verständnis findet sich in den mit Grave überschriebenen 5 Einleitungstakten, die ein Drittel der gesamten Spieldauer ausmachen. Hier wird der Klopfrhythmus noch auf die beiden ersten ‘Hände’ verteilt, während der Ton ‘d’ in der dritten ‘Hand’ durch stummes Niederdrücken der entsprechenden Taste nur als Resonanzton, als resonierender Orgelpunkt gewissermaßen, gegenwärtig ist. Rhythmus und Dynamik des Klopfcodes lassen darauf schließen, daß es sich hier um die Eingangsworte des hippokratischen Eides handeln soll: ‘Ich schwö-re’ (lange Pause) ‘bei A-’ (Pause, Pause) ‘pol-lon’ (lange Pause), ‘dem Arzt’, wobei die Dynamik der skandierenden Klopfzeichen darauf hinweist, daß Kagel den deutschen Text vor Augen hatte (Ich = mf, schwö- = f, re = mp statt z.B. Ὄμ – = f, νυ = p, μι = p).

Die Verteilung der gewissermaßen auf Silbigkeit reduzierten Eidworte auf die beiden Systeme läßt an eine alte kompositorische Praxis denken, die musikalischen Repräsentanten einer göttlichen Welt, z. B. die Trompeten bei Johann Sebastian Bach, von denen der mundanen Sphäre notationstechnisch zu trennen und die Musik der einen ins obere Liniensystem zu platzieren, die der anderen darunter. Es scheint also, als repräsentiere der Klopfrhythmus, der sich im Andante von den Silbenverhältnissen der Textvorlage löst, auch im folgenden eine mythische, transzendentale, überweltliche, geistige Sphäre, als lebe im mittleren System, in dem eingangs der Eidschwörende wie auch das Arztattribut des Heilgottes angesiedelt werden, der Arzt bzw. die ärztliche Kunst und als komme im dritten System die um den Kernton d nahezu zwölftönig kreisende, also ‘demokratisch’ auf die gesamte Menschheit bezogene conditio humana zu ihrem Recht, die erst im Andante ‘sehr zart’ zum Klingen gebracht wird. Neben dieser vertikalen Gliederung in Transzendenz, Arztsphäre und Patientenklientel bzw. Menschheit läßt sich auch horizontal ein Bedeutungszusammenhang erschließen. Im Grave scheint nämlich das akustische Geschehen angesichts der Fermaten trotz der Satzbezeichnung ‘Grave (Achtel = ca. 60)’ noch keinem Tempo zu unterliegen, scheint – besonders im Kontrast zum folgenden – die endlos sich dehnende Zeitlosigkeit zu regieren. Der hier angerufene, aber nicht benannte Geist, der deus absconditus Apollon, wird in einer mythischen Vorzeit angesiedelt, der initiale Schwur selbst geradezu geschichtskritisch in die vorhistorische Zeit bzw. in eine Zeit vor der historischen Überlieferung verlegt.

Mit dem Andante ist indes die gemessene Zeit der Geschichte erreicht, in der die drei genannten Ebenen in nicht synchronisierten schnellen dynamischen Wechseln in einem Lautstärkebereich zwischen Pianissimo und Forte zunächst unvermittelt nebeneinander stehen. In Takt 19 tritt ‘cantabile’ ein Motiv im mittleren System (Hand II) hervor, dessen Kern, eine kleine Sexte, zu einer zarten Melodie ausgebaut wird. Mit leichter Zeitverzögerung zum Einsatz dieser melodiösen Episode tritt das zentraltönige d in Hand III auf die Stufe des resonierenden Orgelpunkts in den Anfangstakten zurück (Takt 22), wonach in Hand I eine ‘sehr zarte’, aus den höchsten Höhen (also aus dem obersten Liniensystem) herabfallende gebrochene Akkordkaskade den Klopfrhythmus vorübergehend in Hand II verdrängt und mit einer kleinen Sext abschließt, ehe im Schlußtakt die mittleren Verhältnisse wiederhergestellt werden: Klopfen in Hand I, kleine Sext in Hand II und gehaltenes ‘D’ in Hand III.

Bewegung bringt also die Arztebene ins Spiel. Statt der in Halbtonschritten aufwärtsschreitenden, oft synkopisch platzierten dissonanten Akkorde, die zunehmend ‘sklerosieren’ und letztlich als einziges Strukturelement auf der Strecke bleiben – vielleicht eine Anspielung auf einen die menschlichen Belange vernachlässigenden Fortschritt – entsteht eine Geste des Hinneigens und Aufrichtens (das Sextmotiv), die schließlich sogar der sich morsend verweigernden und vom Schweigen bedrohten göttlichen Sphäre zarte, wegen der abschließenden Sexte geradezu respondierende Klänge entlockt und zu einem vorübergehenden Tausch zwischen ärztlicher und transzendenter Ebene führt: eine Anspielung auf den ἰατρός ἰσόθεος, den gottgleichen Arzt? Die Regieanweisung am Ende läßt jedenfalls keinen Zweifel, daß Sinn und Zweck des hippokratischen Eides nicht sein kann, daß der Arzt die Hand aufhält, den Teller gewissermaßen kreisen läßt. Vielmehr soll er seine Hand mit der seiner Mitspieler, der der Transzendenz bzw. Geschichte wie auch der seiner Mitmenschen verschränken, um sie so als eine Hand über seine Schützlinge und deren Fragilität zu halten. In dieser Grundhaltung soll er bewegungslos – vielleicht hier das Gegenteil von aktionistisch – in die Noten schauen, als sei das Stück noch nicht beendet und solle von den Zuhörern fortgesponnen werden, als träten Komponist und Ausführende die Regie an jeden einzelnen Hörer und Betrachter ab. Die Instrumentierung des Eides für Klavier zu drei Händen dürfte im Lichte dieser manchen – und vielleicht auch dem Komponisten selbst – zu weit gehenden Deutung darauf verweisen, daß ärztliches Handeln konstitutiv auf Arbeitsteiligkeit angelegt ist, und daß die Urgeste des Heilens, das Handauflegen, nur gelingen kann, wenn der Arzt sich weder zur Selbstüberhebung und Stellvertreterschaft Gottes auf Erden noch zum Bevormunder seines Patienten versteigt. So hält die abschließende Inszenierung die beiden ärztlichen Kardinaltugenden Bescheidenheit und Uneigennützigkeit emblematisch fest, fusioniert die beiden traditionsreichen Arztbilder des ἰατρός ἰσόθεος und des medicus amicus, nicht als Appell, nicht als Vorschrift, nicht als Programm, sondern als Uminstrumentierung zur schlichten Geste.

Was würde wohl Hippokrates dazu sagen?

Wie zutreffend auch immer der hier vorgestellte Deutungsversuch sein mag. Fest steht, daß wir es hier mit einer bis ins Äußerste getriebenen Verfremdung unseres traditionellen Textbezuges und Textverständnisses gegenüber dem hipppokratischen Eid zu tun haben. Wie groß dieser Verfremdungseffekt ist, wird vielleicht deutlich, wenn wir den antiken Verfasser des Eides, nennen wir ihn – den rezeptionsgeschichtlichen Gepflogenheiten folgend – Hippokrates, im Sinne der Intellectual History à la Rorty einmal auf die Denkspur unseres Interpretationsvorschlags locken.

‘Warum hast Du’, würde er vielleicht im Eindruck dieses Stückes und angesichts der Partitur und der darin befindlichen Regieanweisungen den Komponisten fragen, ‘warum hast Du den Eid als reines Instrumentalstück vertont und nicht, wie Dein Kollege Iannis Xenakis 1981, als Chorstück? Warum ‘erklingt’ mein Eidtext nicht, sondern wird lediglich durch dieses klopfende Skandieren angedeutet, und auch das in nachvollziehbarer Weise nur in den ersten Takten? Warum reduzierst Du meinen Text auf seine Silbigkeit, auf seine akustischen Bestandteile und schöpfst daraus eine musikalische Kategorie? Warum greifst Du selektiv zu diesem Formparameter der Silbigkeit, nicht zu anderen wie z. B. den ringkompositionellen Elementen meines Textes? Ganz zu schweigen von den Inhalten? Wo sind sie geblieben, meine Stellungnahmen zum Schwangerschaftsabbruch, zur Tötung, ärztlichen Verschwiegenheit, Enthaltsamkeit und Sorgfalt? Warum beauftragte Dich das Deutsche Ärzteblatt – was ist das? – mit der Vertonung meines Eidtextes und druckte die Partitur in seiner Ausgabe vom 4. Mai 1984 ab? Wie kommt es überhaupt, daß mein Text in Musikerkreisen und ärztlichen Standesorganisationen – was ist das eigentlich? – gehandelt wird? Wie konnte er zu einer solchen Publizität gelangen, nachdem er nach seiner Abfassung auf Jahrhunderte totgeschwiegen wurde? Und was ist überhaupt in euch gefahren, der Lektüre meines wirklich kurzen und dichten Textes ein Hörerlebnis mit allen damit einhergehenden Verfremdungen vorzuziehen? Und was für einen Sinn macht es, einen Schwur, der im Götterglauben wurzelt und hier seinen religionspraktischen Sinn hat, in ein Zeitalter zu überführen, das sich vom rechten Glauben an die Olympier gründlich entfernt hat? Sollen die theatralischen Elemente, wie sie die Partitur vorschreibt, den mit dem religiösen Hintergrund verloren gegangenen Ritus ersetzen?’

Wirkungsgeschichte als Rezeptionsgeschichte

Worauf solche und ähnliche Fragen insgesamt zielen, könnte man die Differenz zwischen Entstehenskontext und Rezeptionskontext, zwischen Rezeptionsgut und Rezeptionsprodukt, zwischen auktorialem Text und notfalls im Mediensprung anverwandeltem Text, kurz zwischen Autor und Rezipient nennen. Sie loten das weite Feld zwischen einer nicht rekonstruierbaren Verfasserabsicht und einer unabschließbaren, der hermeneutischen Offenheit des Textes Rechnung tragenden Eidexegese seitens des Rezipienten aus. Die soeben formulierten, fiktiven Fragen eines fiktiven Verfassers zu einem nur in fiktionalisierenden Metamorphosen verfügbaren Text erinnern uns daran, daß in Ermangelung zuverlässiger Informationen über Verfasser, Abfassungszeit und Urgestalt des Textes die Rede vom Eid des Hippokrates immer nur eine Rede von den Lesern des Eides sein kann. Wirkungsgeschichte als Rezeptionsgeschichte – das ist der methodologisch sinnvollste Zugang zu diesem kulturhistorisch einmaligen Phänomen, das wir ‘hippokratischer Eid’ nennen. Schon vor seinem ersten Anklingen aus der Stille des historischen Vergessens, schon lange vor seinen ersten leitmotivischen Niederschlägen im Werk römischer Autoren seit dem 2. Jahrhunderts v. Chr. und erst recht schon lange vor seiner Erstbezeugung als Textur auf einem Papyrusfragment aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. ist der Eid des Hippokrates bereits in Rezeption übergegangen. Unentscheidbar ist sogar, ob nicht auch die Zuschreibung des Textes an Hippokrates und damit die Verlegung seiner Abfassungszeit in dessen Lebenszeit im Sinne eines Referenzwerbungstricks auf die Rezipienten zurückzuführen ist, desgleichen die Festlegung auf jene bestimmten Textfassungen selbst, die sich überlieferungsgeschichtlich belegen lassen: Allein die Tatsache, daß neben dem textus receptus, also der in den allermeisten Handschriften vertretenen Textgestalt, eine hexametrische Kurzversion und eine sogenannte christliche Fassung existieren und zudem die bereits erwähnten Papyrusfragmente auf eine vierte Fassung hindeuten, stützt die Vermutung, daß der Eid in seiner Frühgeschichte ein Gebrauchstext war und bereits in diesem Stadium seiner überlieferungsgeschichtlich stummen Rezeption nicht nur gelesen, sondern auch instrumentiert, d.h. am jeweiligen historischen Ort seiner Rezeption zum Klingen gebracht wurde. Insofern die Leser des Eides zugleich dessen Koautoren wurden, entbanden sie den Text aus der alleinigen Mitwisserschaft seines Verfassers, sobald sie seiner habhaft wurden, und ließen seine Einsilbigkeit und Einstimmigkeit zu einem immer noch wachsenden vielstimmigen Chor anschwellen. Solche Leser griffen sich heraus, was ihnen selbstverständlich oder erklärungsbedürftig schien, sie ließen weg, was ihnen überholt oder unverständlich vorkam, sie brachten einzelne Textaussagen auf Kurzfassungen, die sie zu den bekannten Ultrakurzformen ‘Götteranrufung’, ‘Lehrvertrag’, ‘Tötungs-, Sexual- und Steinschnittverbot’ bzw. ‘Schadenbegrenzungs-, Lauterkeits- und Schweigegebot’ weiter interpretierend verdichteten. Sie überführten die inhaltlich mit alternierenden positiven und negativen Absichtserklärungen gefüllte promissorische Schwurformel in zahllose andere Textsorten und -gattungen, machten sie zum Gegenstand von Lehrbüchern, Lehrgedichten, Kommentaren und programmatischen Reden. Sie beleuchteten den Text paratextuell durch die Verwendung bestimmter Druckbilder, durch prominente Positionierung im Verbund der hippokratischen Schriftensammlung, durch Plakatierung auf T-Shirts und Messeständen, durch Verwendung als Motto und Titelelment. Und selbst die Geschichte der Eideditionen und -übersetzungen stellt sich als eine einzige Kette von Kartenabgaben einzelner Eidleser dar, die die interpretatorischen Freiräume, die das Übersetzen und selbst das Kollationieren bietet, mit eigenen religiösen, politischen, moralischen und medizinischen Interpretamenten füllten. Auf diese Weise wurde der Eid permanent uminstrumentiert und sang bald den Hymnus des antiken Götterglaubens, bald das Credo des Christentums, bald die Sure des Koran, präludierte den Einzug von Humanismus und Hellenisierung in die Medizin, erklang in der Kontrapunktik von Reformation und Gegenreformation, wurde in Barock und Aufklärung geradezu symphonisch ausstaffiert und durchgeführt, um im 19. und 20. Jahrhundert als Basso continuo zu allen möglichen Medodien und Kakophonien (Stichwort Drittes Reich) zu dienen.

Die Mechanismen eines permanenten Funktions- und Gestaltwandels des Eides, die Mechanismen seiner Uminstrumentierungen, wenn man so will, seitens der Leserschaft sind, wenn man sich das eingangs vorgestellte Musikbeispiel in Erinnerung ruft, erstaunlich konstant geblieben. Sie lauten von allem Anfang an Fraktionierung, Kondensierung, Eliminierung und Amplifizierung zum Zwecke der Ideologisierung und Instrumentalisierung. Letztlich eint die Eidleser ein wie auch immer geartetes Vergegenwärtigungsinteresse, das um so besser zum Ausdruck gebracht werden kann, je vollständiger die Enthistorisierung des Textes gelingt. Ob der Eid übersetzt, kommentiert, versifiziert, paraphrasiert, oder instrumentiert wurde, immer bediente man sich des gesamten Repertoires der Dekonstruktion wie auch der Rekonstruktion (Rekomposition, Reformulierung und Rekontextuierung), wobei beim Präfix ‘Re-’ die Betonung auf der Bedeutung ‘Neu-’ liegt.

Insofern bedeuten die Verfremdungseffekte in der Kagelschen Vertonung unter rezeptionsgeschichtlichem Blickwinkel gar nichts Neues. Die Eidparaphrase eines Scribonius Largus oder die rhetorischen Eidverweise des Freiburger Pathologen Franz Büchner in seiner berühmten Rede gegen die nationalsozialistische Euthanasie wie auch das sich mit einer Dekonstruktion des Eides legitimierende sogenannte posthippokratische Ethikzeitalter stehen einem vermeintlichen Urtext kaum näher als Kagels Vertonung. Allenfalls der vollständige Medienwechsel vom Text zur Musik bzw. zum Geräusch markiert etwas deutlicher als alle anderen vorlaufenden Rezeptionsereignisse einen Grundzug der Eidgeschichte, nämlich den der permanenten nichtlinearen Transposition. Doch, so fragt sich, ist der Weg vom Schwur zum Lehrbuch wirklich kürzer als der vom Schwur zum Klavierstück? Die beschriebenen Techniken solcher endlosen anverwandelnden Umsetzungen sind durch die Jahrhunderte hinweg durchaus vergleichbar, auch wenn sich ihre Ziele ändern mögen. Doch warum sollten wir uns mit solchen Metamorphosen befassen, wenn sie uns nicht einmal den hippokratischen Urtext enthüllen? Nun, zum einen, weil sie uns gegen Pseudourtexte und deren Instrumentalisierungen wappnen, zum anderen, weil sie uns mit Eidlesern bekannt machen, deren Lektüren ein kritisches Licht auf unsere eigenen Lektüren werfen. Die Vertrautheit mit der Anverwandlungsgeschichte des Eides nährt nämlich zum einen den Zweifel, ob die verfügbaren Geschichten zum hippokratischen Eid einschließlich ihres Gegenstandes selbst ‘als sprachliche Texturen und Produkte schöpferischer Einbildungskraft eher im Bereich der Dichtung anzusiedeln sind oder als methodisch abgesicherte, kritisch gereinigte, theoretisch reflektierte und rational überprüfbare Darlegung chronologisch sortierter und kausal vernetzter historischer Tatsachen im Boden der Wissenschaft wurzeln’, wie Rüdiger Kinsky das auch für die Medizingeschichtsschreibung gültige Grundproblem der Geschichtswissenschaft formuliert hat. Vor diesem Hintergrund werden die Fach- und Fakultätsgrenzen unserer akademischen Landschaft zweitrangig, wird die Notwendigkeit eines auf die gesamte Kulturgeschichte gerichteten Blickes gerade auch für den Mediziner sinnfällig. Die transdisziplinäre, kulturübergreifende Kenntnis der Instrumentierungen des Eides, unabhängig davon, ob sie in den Forschungsbereich des Arztes, Historikers, Musikwissenschaftlers, Kunsthistorikers, Papyrologen, Philologen oder wessen auch immer fallen, sensibilisiert den Arzt unserer Tage für die ideologische Ausschlachtung von Geschichte, ihren Mißbrauch als Argumentationsreservoir, die Doppelbödigkeit von Traditionsargumenten, die Deklarierung von Meinung als Wissen. Sie sensibilisiert für die Historizität der eigenen Gegenwart und für den intrikaten Zusammenhang von Wahrheit und Methode. Und sie führt zu der Einsicht, daß Geschichte nur auf Befragung antwortet und daß ihre Antworten nicht rational nachvollziehbarer, theoretisch reflektierter und methodologisch gereinigter ausfallen können als die Fragen, die wir stellen. Rationalität, Theorie und Methode, nicht Wahrheit, sind die bestimmenden Kriterien von Wissenschaftlichkeit. Sie erlauben eine Hierarchisierung der Rezeptionsphänomene des hippopkratischen Eides im Hinblick auf Plausibilität und Konsensfähigkeit. Auf dieser Skala rangiert Kagels Vertonung ziemlich weit oben, stellt ein Lehrstück historischen Umgangs dar, in dem die unüberbrückbare historische Distanz zum Eidtext ebenso deutlich wird wie die Fruchtbarkeit einer Neuinstrumentierung. Letztere steht um so weniger in Ideologieverdacht, je mehr sie an die Stelle des Proklamierens das Lauschen setzt und je weniger sie den Anspruch auf Wahrheit über den Höhepunkt ihrer ästhetischen Wirkung hinaus verewigt.

BS WS 1990/91-SS 1994: Mitglied im Studentischen Madrigalchor der Wilhelms-Universität Münster unter der Leitung von der Universitätsmusikdirektorin Professor Herma Kramm (1920-1998). Zahlreiche Aufführungen.

BS 4.7.1991: Aufführung des Madrigalchors unter Leitung von Frau Professor Kramm durch den WDR.

BS 18./19.10.1991: Aufführungen der h-moll Messe von Johann Sebastian Bach in Münster unter der Leitung von Frau Professor Kramm mit dem Münsteraner Universitätschor und dem Madrigalchor.

BS: Nov./Dez. 1991: Konzert mit dem Madrigalchor unter der Leitung von Frau Professor Kramm in Berlin